Kompliment. Dank kohärenten Angst-Botschaften (und sachdienlichen Bußgeldern) sind mittlerweile rund elf, davon sage und schreibe acht umstrittene Monate vergangen, in denen die Kritik gegen die C-Maßnahmen zwar nicht mehr unüberhörbar, allerdings je nachdem, ob und wo man hinhört, joaa… ich sage mal, irrelevant ist. Die Vehemenz von Seiten der Politik steigt. Die Maßnahmen werden verschärft, Botschaften gegen das “Coronaregime” (um den Präsidenten des BVMW zu zitieren*) werden von sozialen Netzwerken zensiert. Unter den Bürgern wird ge- und verurteilt, oft ohne jeden Zweifel gegenüber der Grundlage, dafür aber im Zweifel gegeneinander (Bsp. #1, #2, #3), was mich im Bezug auf öffentliche Debatten stark an etwas erinnert, das Verfügbarkeitskaskade genannt wird und von dem bereits mehrfach von mir zitierten Daniel Kahneman wie folgt beschrieben wird:
“Eine Verfügbarkeitskaskade ist eine sich selbst tragende Kette von Ereignissen, die vielleicht mit Medienberichten über ein relativ unbedeutendes Ereignis beginnt und zu öffentlicher Panik und massiven staatlichen Maßnahmen führt. Manchmal zieht ein Medienbericht die Aufmerksamkeit eines Teils der Öffentlichkeit auf sich, die dadurch aufgerüttelt und beunruhigt wird. Diese emotionale Reaktion wird selbst zur Geschichte, die ihrerseits weitere Berichte in den Medien auslöst, was noch größere Besorgnis und Engagement hervorruft. Dieser Kreislauf wird manchmal gezielt von “Verfügbarkeitsunternehmern” beschleunigt; das sind Einzelpersonen oder Organisationen, die daran arbeiten, einen ständigen Fluss beunruhigender Nachrichten aufrechtzuerhalten. Die Gefahr wird in dem Maße überzeichnet, wie die Medien um reißerische Schlagzeilen konkurrieren. Wissenschaftler und andere, die versuchen die wachsende Angst und Abscheu zu dämpfen, finden wenig Beachtung, und die meiste davon ist feindseliger Natur: Jeder der behauptet, es werde übertrieben, wird der Beteiligung an einer “ruchlosen Vertuschung” verdächtigt. Die Sache gewinnt politische Bedeutung, weil sie die Öffentlichkeit umtreibt, und die Reaktion des politischen Systems wird von der Intensität der öffentlichen Stimmung determiniert. Weitere Risiken und andere das Gemeinwohl fördernde Verwendungsweisen und Ressourcen sind in den Hintergrund getreten.”
Was passiert, ist für Personen mancher Disziplinen gar nicht so unerwartet wie man denken mag. Kahneman ist einer der renommiertesten, emeritierten Wissenschaftler im Bereich der Kognitionsforschung und des Framings. Das Konzept der Verfügbarkeit ist zentral, denn die Erforschung von Verfügbarkeit im Zusammenhang mit Risiko und Verfügbarkeitseffekten helfen z.B. das Muster von Versicherungsabschlüssen und Schutzmaßnahmen nach Katastrophen zu erklären. Während Opfer eines solchen Ereignisses unmittelbar danach besorgt sind, verblasst die Erinnerung mit der Zeit und damit nimmt auch die Vorsorge und Risikoaversion ab.
Bevor ich genauer auf drei exemplarische Frames aus der Corona Debatte eingehe, erlaube ich mir eine kleine Begriffssammlung, die deutlich machen soll, welche Frames uns die gegenwärtige Sprache verfügbar macht.
Kurze Sprachanalyse
Wenn man die im Rahmen eines normalen Medienkonsums zu beobachtende Sprache zum Thema Corona grob analysiert, dann gelangt man in etwa zu folgendem Begriffskatalog.
Sympathisanten | Kritiker |
Pandemie, Corona-Krise, größte Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg, Krieg, im Kampf gegen, Bedrohung, steigende Infektionszahlen, Verdopplungszahl, R-Wert, Überlastung / Zusammenbrechen des Gesundheitssystems, exponentielles Wachstum, Intensivbetten, (keine) Beatmung, Virologe, Lockdown, Quarantäne, Lockerung, neuartiges Virus, Neuinfektionen, Solidarität, zweite Welle, Hotspot, Viruslast, Mundschutz, Alltagsmaske, Maskenpflicht, Impfstoff, Impfung, Falschinformationen, Verharmlosung, Killervirus, Corona-Warn-App, Corona-Regeln, Social Distancing, The new normal | Positiv-Getestete, Falsch-Positive Tests, Keine Erkrankten, Keine Verharmlosung, Kein Killervirus, Keine Pandemie, Grippe, unverhältnismäßig, Verhältnismäßigkeit, Grundrechte, Insolvenzen, Arbeitslosigkeit, Corona-Wahn-App, Maulkorb, Corona-Ausschuss, Corona-Skandal, Corona-Regime, Fehlalarm, Plandemie |
Verschwörungstheoriker, Impf-Gegner, Corona-Leugner, Corona-Sünder, Rechtsextreme, Reichsbürger, Covidioten | Mitläufer, Lückenpresse, Staatsfunk, DDR 2.0, Diktatur, Schlafschaf |
Sowohl die Sprache der Sympathisanten, also der Politik- und Maßnahmen-Befürworter, als auch der Kritiker, enthält zahlreiche Begriffe, die moralische Dimensionen enthalten. Ideologisch geprägte Begriffe sind z.B. Kampf gegen, Alltagsmaske, Maulkorb oder Schlafschaf. Sie kommunizieren in einem Wort ein Bündel an Vorstellungen. Allerdings ist die Seite der Sympathisanten praller gefüllt, sie verfügen über mehr eigene Begriffe, wenngleich die Begriffe teils beschreibender und weniger metaphorisch sind. Kritiker nutzen in Diskursen aufgrund fehlender sprachlicher Alternativen somit häufig die Begriffe der Gegenseite wie Pandemie oder Gesundheitssystem (was oft unvermeidbar ist) sowie Negierungen wie kein Killervirus (was durchaus vermeidbar ist).
Viele der Begriffe dienen zur Diffamation, z.B. Covidioten (von Saskia Esken, SPD), forcieren Angst und mobilisieren zur Einhaltung bzw. Durchführung der Regeln. Sie bewirken Diskursvermeidung, denn Covidiot ist kein Argument. Covidiot ist eine personengruppenbezogene Verurteilung, die sagt, mit diese Menschen lässt sich nicht reden – sie sind Idioten. Eigentlich ist es eine Beleidigung, auch wenn ein Gericht zugunsten Esken entschieden hat, dass es sich dabei um eine Meinung handelt. Wie dem auch sei, verinnerlicht man dieses Framing, so geschieht es nahezu zwangsläufig, dass sich Bürger voneinander abgrenzen, statt zu ergründen wieso sich gesellschaftlich Kritik auftut. Dieselben Bürger geben darüber hinaus im Glauben an einen außergewöhnlich und umfänglich gefährlichen Virus gerne ihre Freiheit auf, und die Verantwortung für sich gleich mit, und warten ehrfürchtig auf Lockerungen.
Die Krönung der Debatte stellen nur noch politische Botschaften oder Äußerungen wie folgende Schlagzeile dar: “Die Bilder aus Berlin vom gestrigen Samstag, an denen es nichts zu verharmlosen gibt, sind widerwärtig und ekelerregend!”. Warum ist das die Krönung? Formulierungen wie diese tragen wesentlich zur Abwertung von Menschen bei. Die Aussage entspricht einem moralischen Frame über die Metapher Reinheit bzw. Unreinheit. In neurologischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass bei Begriffen wie Ekel das Gehirn physisch Ekel simuliert, denn um zu begreifen was Ekel bedeutet, muss es die Hirnregionen aktivieren, die für seine Entstehung verantwortlich sind. Werden Kritiker semantisch mit Ekel in Verbindung gebracht, werden sie natürlich zum einen abgewertet, mit der Folge, dass sie sich danach auch leichter verachten lassen. Zum anderen wurde in Untersuchungen gezeigt, dass insbesondere konservativ denkende Menschen ein stärkeres kognitives Reinheitsbedürfnis haben und ihre politische Haltung bei wahrgenommenem Ekel unbewusst deutlich nach Rechts bewegen – und das kommt von DIE LINKE.
Drei gefährliche Frames
Auf folgende drei Frames möchte ich genauer eingehen. Sie mögen vielleicht unscheinbar oder sogar nett klingen und unser Bestes wollen, aber sie erzählen nicht die volle Wahrheit und sind sogar gefährlich.
Social Distancing
Diese Wortneuschöpfung erzählt uns eine Geschichte davon, was sozial ist. Sie ruft Gedanken an Freunde, Freude, Feierlichkeiten und enthält gleichzeitig einen Auftrag, was zu tun ist, wenn wir das wieder zurückwollen: Denn aktuell ist es sozial und solidarisch, keinen Kontakt zu anderen zu haben. Also werden Gesundheit und soziale Nähe durch den Vorgang des Hebbian Learnings gesellschaftlich als sich ausschließend verankert. Wozu führt das? Erinnern Sie sich an das Beispiel aus meinem vorletzten Artikel zur Metapher Zuneigung ist Wärme. Wir konstruieren unsere Vorstellung von dieser Welt anhand der Erfahrungen, die wir machen. Gemeinsames, unvorsichtiges Spielen, sogar Singen sind in einer Vorstellung von Welt, in der Social Distancing gut und richtig ist, gefährlich. Die sogenannten AHA-Regeln, die nicht nur der Bevölkerung, sondern vor allem auch eindrücklich in Schulen vermittelt werden, etablieren eine neue gesellschaftliche Norm im Umgang mit anderen Kindern, anhand der Kinder lernen, dass jemanden zu meiden, eine Art von Zuneigung ist. Was einst asozial war (Distanzierung, keine Hand geben bei der Begrüßung), wird sozialisiert. Für eine Steigerung sorgt der bayerische Ministerpräsident Söder, indem er in einem im Fernsehen übertragenen Interview den Bürgern empfiehlt sich auch geistig zu distanzieren. Aha.
Was blendet der Frame aus? Das Narrativ verheimlicht zum Beispiel, dass soziale Deprivation, so der korrekte sozialpsychologische Begriff für die Absicht des Social Distancings, also die Isolation oder der Entzug von sozialem Austausch, insbesondere bei Kindern zu zahlreichen Entwicklungsstörungen und psychologischen Problemen bis ins Erwachsenenalter führt, da schlicht und ergreifend die notwendigen Entwicklungsreize, die nur durch Nähe, Spielen, ja auch Singen usw., erst gegeben sind, entzogen werden. Nähe ist wie Liebe ein universelles Grundbedürfnis bei Säugetieren und Menschen. In Deprivationsexperimenten werden verschiedene Deprivationsformen unterschieden, z.B. emotionale Ablehnung, Distanz, aber auch wenn Kinder das Objekt einer übersteigerten Angst der Eltern sind (Ainsworth, 1985). Es ist zum Beispiel bekannt, dass Deprivationserlebnisse in der Kindheit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mit späteren depressiven Erkrankungen zusammenhängen (Felitti, 2002), Affektregulation, z.B. einen gesunden Umgang mit Stress und das Selbstbild beeinträchtigen. Der Frame blendet außerdem aus, dass sozialer Austausch natürlich wichtig für eine mündige Gesellschaft ist, die sich gegenseitig informiert und korrigiert, bevor sich Meinungen festigen. Ebenso für ein gesundes Wirtschaftsgeschehen, das von Möglichkeiten der Zusammentreffens und des persönliches Kontakts lebt, die ein Webcall sicher gut ergänzen, aber nicht dauerhaft ersetzen kann. Flächendeckendes Unternehmensterben, persönliche Verschuldung sowie sinkende Lebensstandards als direkte Folgen, sind klar und waren jederzeit abzusehen, werden aber zum Nebenschauplatz in Zeiten von umgedeuteter Solidarität und neurotischem Hygienewahn.
Zweite Welle
Diese Wortkreation wird verwendet als Metapher für ein erneutes hohes Infektionsgeschehen und ist in zwei Punkten diskutabel. Zunächst einmal wird ein Wasser-Frame genutzt. Wellen prallen mit hoher Geschwindigkeit und roher Naturgewalt auf Küsten und zerstören mitunter ganze Landschaften über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Unser kollektives Gehirn verfügt über zahlreiches, eindrucksvolles Bildmaterial und Vorstellungen aufgrund der letzten Jahre von Wellen (der Flüchtlingswelle, aber auch echten Naturkatastrophen wie Tsunamis oder Erdbeben). Ein gesundheitlicher Sachverhalt wird metaphorisch als Naturgewalt, genauer als bewegte Wassermasse begreifbar gemacht. Das führt zu folgenden unbewussten Schlussfolgerungen: Wir sind die Opfer, das Virus erhält die semantische Rolle der Bedrohung. Wasser hat auch keine Gefühle, schon deswegen müssen wir davor Angst haben. Es ist eine Wassermasse, die uns unaufhaltsam überschwemmt und sie hat selbst keinen Sinn und Zweck. Wir sind ihr hoffnungslos ausgeliefert, sitzen alle in einem Boot, bauen lieber früher als später Dämme, tauchen ab oder machen die Schotten dicht. Sie lässt sich weder über ein Ampelsystem steuern noch macht sie Unterschiede zwischen den Menschen, unkontrollierbare Wasserwellen sind für alle gefährlich.
Der Frame blendet aus, dass Viren schon immer Teil unseres Lebens waren und sind, auch Coronaviren; dass sie eben nicht erst jetzt in unser Land kommen, es überschwemmen und alles überlasten; dass Krankenhäuser auch durchaus wegen anderer Aspekte in den letzten Jahren überlastet waren. Viren gehören zu unserem Leben dazu – und sich eben nicht völlig abzuschotten, würde dabei helfen, notwendige und bereits vorhandene Immunitäten aufzubauen, sodass wir auch mit diesen ein normales Leben führen können. Dass das Infektionsgeschehen für die meisten milde oder sogar symptomlos verläuft, liegt ja mitunter genau daran, dass das neue Coronavirus für unser Immunsystem gar nicht so unbekannt ist. Darüber hinaus täuscht der Frame darüber hinweg, dass uns keine Zeit bleibt uns auf etwas vorzubereiten, denn Naturgewalten brechen über uns unvorhergesehen herein, auch wenn es sich um die zweite Welle handelt, sie nun schon mehrere Monate prognostiziert wird und die gesamte Situation um Corona nun rund 10 Monate andauert. Zum anderen wird von einer zweiten Welle gesprochen. Doch genau genommen und im Sinne der Bedeutung, existierte in Deutschland bisher noch nicht mal ein erstes, alles überforderndes Infektionsgeschehen. Somit ist sowohl eine Welle eine überzeichnete Bezeichnung als auch Zweite eigentlich falsch, sickert aber dennoch völlig unabhängig von der Faktenlage ins Unterbewusstsein und beeinflusst unsere Wahrnehmung, unsere Meinung und alles Weitere dazu.
Killervirus
Der Begriff Killervirus macht eine Virus-Infektion als todbringende Gefahr begreifbar. Überhaupt ist die Corona-Pandemie, eine Pandemie der Infektionen. Sowohl Politik als auch Medien betonen immer wieder die Infektionszahlen und bringen diese fortwährend in Verbindung mit todbringender Gefahr oder gesundheitlichen Langzeitschäden. Der Frame wird dadurch gestärkt, indem uns Online- und Offline Medien reichweitenstark und rund um die Uhr in Schrift- und Bildsprache wiederholt und dauerhaft Szenen liefern, die emotional stark beeindrucken und sich so in unser Gehirn einbrennen. Die Folge: Es gilt die dargestellte Realität, und nichts anderes als diese Realität. Wir geben ihr eine zentrale Bedeutung und halten sie für viel häufiger vorkommend als es in Wirklichkeit ist. Aus dem Blickwinkel der Psychologie heraus könnte man diesen Vorgang auch als kollektives, medial induziertes Trauma bezeichnen. Traumata führen nicht selten zu einem weitergehenden Dramatisieren, Übertreiben, Überzeichnen möglicher Gefahrenszenarien um das traumatische Kernerlebnis herum. Der Logik der Gefahr folgend, muss die Gesundheit geschützt werden. Dabei muss der Mensch als Held schützend eingreifen, der Bösewicht ist die Gefahr. Nimmt der Held den Kampf gegen den Bösewicht nicht auf, werden wir verlieren. In diesem Zusammenhang zählt jedes Leben, denn es würde einer Doppelmoral gleichen, den einen zu schützen und den anderen nicht.
So lobenswert, aber auch utopisch, dieses Vorhaben ist, so folgenschwer ist es auch. Der Frame von Infektion als todbringende Gefahr ist nicht nur in höchstem Maße manipulativ, sondern nach medizinischen Maßstäben stark verkürzt, denn eine Infektion ist ungleich einer Erkrankung und auch Erkrankungen haben verschiedene Verläufe oder betreffen nur bestimmte Personengruppen. Der Frame blendet darüber hinaus vollständig die Kosten und Folgen der Schutzmaßnahmen aus, die es uns als Land überhaupt erst möglich machen, den medizinischen Standard zu haben, den wir haben, den Lockdown so lange durchführen zu können, wie wir es tun, ein vergleichsweise längeres Leben führen zu können. Es blendet aus, dass es auch andere Missstände gibt, an denen Menschen täglich viel häufiger sterben. Damit wird der Mensch, bzw. die Politik, als moralisch gut positioniert und eben nicht auch als der Verursacher der Kollateralschäden: “Nicht ich bin schuld, das Virus ist schuld.” (Jens Spahn bei Markus Lanz, ZDF, 20.08.20). Und zu guter Letzt wird sprachlich ausgeblendet, dass wir Menschen durchaus über ein Immunsystem verfügen, welches mit einem für die meisten Personen symptomlos verlaufenden Infekt klar kommen würde und welches zur Einschätzung einer Gefahr bei den millionenfachen Tests genauso miterfasst (z.B. mittels T-Zellen) werden müsste, was es nicht wird; dass Viren, Bakterien & Co. Teil unserer Umwelt, unseres Lebens, unseres Körpers sowie unvermeidbar sind und, dass somit weniger Angstmacherei als Aufklärung angebracht wäre.
Fazit
“Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.”
– George Bernard Shaw
Während die zweite Welle, die Geschichte eines nicht beherrschbaren Naturereignisses erzählt, sehen sich als wahlweise Corona-Sünder, -Assis, -Leugner oder -Idioten diskreditierte Kritiker nicht nur ihrer Würde, sondern auch (Meinungs-)freiheit beraubt, wenn sie von einem Mundschutz als Maulkorb reden. Es werden nicht nur Narrative genutzt, die suggerieren, dass die Ablehnung der Maßnahmen als unmoralisch angesehen wird, sondern auch permanent Angsthaltung erzeugt. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation und da gelten andere Regeln.
Mit dem öffentlich gewordenen Szenarienpapier der Regierung ist klar, dass eine Verängstigung der Bevölkerung mit Schockwirkung beabsichtigt ist, von einer Kommunikation der Fallzahlen dagegen wird abgeraten. Eine Risiko- oder Krisenkommunikation, die für den Bürger wäre, würde aber genau das tun: Deeskalieren, Ängste nehmen, aufklären, inkludieren und Panik vermeiden, denn Krankheit, Begriffe wie Virus oder Tod und das Konzept der Pandemie sind (wenn sie uns denn umgeben) ohnehin angstbehaftende Themen und mit einer Menge eindrücklicher Emotionen aufgeladen.
Da Faktenlage und Botschaften allerdings nicht zusammenpassen, kommen Fragen nach sonstigen Gründen und Hintergründen auf. Und die Politik sollte lernen diese Fragen zu beantworten, denn mit dem Internet haben Bürger*innen nicht nur Zugriff auf unbegrenzten Cat Content, sondern die Möglichkeit sich selbst schneller, umfassender und unzensierter zu informieren als es je zuvor möglich war. Personen können sich verschiedenste Experten anhören, mit denen Sie sonst nie zu tun gehabt hätten und an Informationen gelangen, die sonst eher Eliten vorbehalten waren. Wissen wird viel weitreichender in der Welt gestreut als es jemals zuvor im politischen Geschehen möglich war; Skandale werden über Wiki Leaks veröffentlicht, in Netzwerken zur Sprache gebracht. Das ermächtigt Bürger*innen und macht Politik transparenter als je zuvor.
Angst jedoch lässt uns in ein rückständiges Muster fallen, in dem wir uns ungeprüft an den Anweisungen von Autoritäten orientieren. Wir setzen mehrheitlich wieder auf einseitig gerichtete Kommunikation, statt – jetzt wo es drauf ankommt – uns dessen zu bedienen, was wir in der Hand haben. Dabei geschieht das, was wir bei Personen Diffamation nennen auch mit Informationen, wenn sie als Falsch deklariert werden, obwohl sie lediglich erstmal nicht-konform sind. Es stellt sich nicht die Frage, ob es Kritik gibt, sondern wann die kritische Masse erreicht sein wird, dass an ihr kein Weg mehr vorbeiführt. Dazu sind offene Worte notwendig, die ebenso nachdrücklich vermitteln, welche Realitäten ausgeblendet werden.
Erfahren Sie in meinem nächsten Artikel wie sich ein Reframing erfolgreicher meistern lässt.
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* Leider hat sich zwischenzeitlich ein tragisches Ereignis zugetragen. Der von mir oben zitierte BVMW-Präsident Mario Ohoven ist am 31.10.2020 durch einen Autounfall tödlich verunglückt. Die Ursache ist noch ungeklärt. Mario Ohoven war ein bekannter Kritiker der Corona-Maßnahmen. Der BVMW veröffentlichte deutliche offene Briefe an die Bundesregierung und prüfte zuletzt verfassungsrechtliche Schritte. Ich möchte hiermit mein tiefes Beileid aussprechen – der Familie gegenüber und dem Verband. Die zahlreichen, privaten Beileidsbekundungen der Mitglieder und Mitarbeiter zeigen, dass es sich bei Mario Ohoven nicht nur um eine charismatische, sondern auch nah- und streitbare Persönlichkeit handelte, die den BVMW in den letzten beiden Jahrzehnten zur führenden Vertretung des unternehmerischen Mittelstandes geformt hat. Seine Worte hatten in der Politik Gewicht. Nicht zuletzt deswegen setzten viele Personen in den letzten Wochen und Monaten große Hoffnung in diesen Menschen, der nun leider von uns gegangen ist: Zum Brandbrief an die Bundeskanzlerin
Quelle Beitragsbild: Adam Nieścioruk